Etwa 25 Vertreter niedersächsischer KMU nutzten am 25. Januar 2018 die erste Veranstaltung von Niedersachsen ADDITIV – Zentrum für Additive Fertigung auf dem hannoverschen Messegelände, um sich über die Grundlagen, den Stand der Technik sowie die Anwendungen additiver Fertigungsverfahren zu informieren. Neben Fachvorträgen stand bei der Veranstaltung „Additive Fertigung: Chancen für den Mittelstand“ der Dialog im Mittelpunkt: In vier Workshops erörterten die Teilnehmer technologische, wirtschaftliche, sicherheitstechnische und bildungsrelevante Aspekte des 3D-Drucks.
Additive Fertigungsverfahren, auch 3D-Druck genannt, werden die Produktion und Fertigung radikal verändern. Den KMU im Bundesland vermittelt Niedersachsen ADDITIV – Zentrum für Additive Fertigung das erforderliche Know-how, um im Wettbewerb nicht nur bestehen, sondern voranschreiten zu können. Teil 1 der ersten Veranstaltungsserie des Zentrums fand Ende Januar statt. Am 14. März 2018 folgt Teil 2: „Additive Fertigung: Erfolgsfaktor Mensch“, und schließlich am 23. Mai 2018 Teil 3: „Additive Fertigung: Erfolgsfaktor Sicherheit“.
Bei den niedersächsischen KMU besteht immenses Interesse, additive Verfahren in die Fertigung und Produktion zu integrieren. Viele komplexe 3D-Bauteile aus Metall oder Kunststoff lassen sich bereits mit 3D-Druckverfahren wie Stereolithographie, Lasersintern und Selektivem Laserstrahlschmelzen fertigen. Diese neuen Verfahren bringen frischen Wind in die Produktentwicklung. Abgesehen vom geringeren Materialeinsatz und Gewicht lässt sich mittels additiver Verfahren das Gesamtprodukt durch zusätzliche oder verbesserte Funktionen attraktiver machen: Etwa mittels optimierter Kühlkanäle in Gasturbinenschaufeln, durch die die Schaufel eine höhere Wärmebeständigkeit und die Turbine einen höheren Wirkungsgrad erhält.
Hausaufgaben für die Forschung
Für die Zukunft wünschen sich die Unternehmen indes Verbesserungen in puncto Qualität und Reproduzierbarkeit. „Die am Zentrum beteiligten Forschungsinstitute, das Laser Zentrum Hannover e.V. (LZH) und das Institut für integrierte Produktion Hannover gGmbH (IPH), sind nun gefordert, additive Verfahren zu entwickeln, mit denen sich weitestgehend nachbearbeitungsfreie Oberflächenqualitäten erzeugen lassen“, erklärt der stellvertretende Projektleiter Dr.-Ing. Gerrit Hohenhoff vom LZH. „Darüber hinaus sollen die Prozesse und die Qualität über längere Prozesszeiten reproduzierbar und auch für höhere Stückzahlen geeignet sein.“
Ungebremstes Wachstum
Analysten prognostizieren dem 3D-Druck ein weiterhin kräftiges Wachstum. Steigende Verkaufszahlen verzeichnen insbesondere die deutschen Anlagenhersteller: Von 2010 bis 2014 verdreifachten sich die Verkaufszahlen, und der Aufwärtstrend setzt sich aktuell weiter fort. Möglichen Einsparungen von 30 bis 60 % bei Kleinserien stehen dabei häufig noch relativ hohe Investitionskosten für die Anlagen und die Qualifizierung des Personals gegenüber. Kunststoff-3D-Drucksysteme sind kostengünstig und amortisieren sich schnell, wohingegen Anlagen für Metalle kostenintensiver sind. Deshalb wägen die Entscheider sorgfältig ab, ob die additive Fertigung im eigenen Hause oder extern erfolgen soll.
Fragen zu Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Datenschutz, Produktpiraterie und Haftung stellen sich sowohl bei konventionellen als auch bei additiven Fertigungsverfahren. Für die Teilnehmer der Veranstaltung bilden fehlende Standards und Zertifizierungen derzeit noch unnötige Hürden bei der Einführung von 3D-Druckverfahren. So sind Entsorgungsbetriebe beispielsweise vielfach noch nicht auf die umweltgerechte Entsorgung von nicht wiederverwendbaren Pulvern vorbereitet.
Ingenieure mit sauberen Händen
Das Thema Fortbildung betrachten die KMU aktuell als eher nachrangig. Als dringend erforderlich benannten die Teilnehmer hingegen eine fundierte 3D-Druck-Ausbildung für Konstrukteure. „Früher hatten Maschinenbauer schwarze Ränder unter den Fingernägeln, heute bedienen sie Computertastaturen häufiger als Maschinenelemente“, brachte ein Teilnehmer das geänderte Berufsbild des Ingenieurs auf den Punkt. „In der Konstruktion, Fertigung und Produktion gilt es, grundlegend umzudenken und vieles neu zu lernen, will man die additive Fertigung und Industrie 4.0 erfolgreich in den Betrieb integrieren“, fasst Ilka Zajons von der LZH Laser Akademie die Gespräche zusammen. „Hier sind auch die Bildungsträger gefordert.“
Die zahlreichen Ergebnisse der Dialogveranstaltung fließen in die weiteren Aktivitäten und Veranstaltungen von Niedersachsen ADDITIV ein. Nähere Infos und Veranstaltungstermine unter www.niedersachsen-additiv.de